Der Rechtsstreit um den Polder bei Altrip geht in eine neue Runde: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wird sich nach Angaben des Anwalts der Gemeinde der Sache annehmen. Weil es dem Falle eine „grundsätzliche Bedeutung" zuschreibe, habe das Gericht eine Revision zugelassen.
Niederlage Nummer zwei hatte wie eine endgültige Niederlage ausgesehen: Vor einem knappen Jahr hatte das Oberverwaltungsgericht in Koblenz die Klage der Gemeinde Altrip und zweier weitere Kläger gegen das umstrittene Hochwasser-Schutzprojekt abgewiesen - und zugleich den weiteren Rechtsweg verbaut. Eine Revision, so hatten es die Koblenzer Richter festgelegt, sollte nicht mehr möglich sein.
Da blieb nur noch eine winzige Hintertür, und die wollte die Gemeinde nicht ungenutzt lassen: Nach kontroverser Debatte beschloss der Altriper Rat im vergangenen Mai, gegen diesen Ausschluss einer Revision Beschwerde einzulegen. Mit Erfolg: Das Bundesverwaltungsgericht habe eine Revision zugelassen, weil es dem Fall „grundsätzliche Bedeutung" zuschreibe, hat Wolfgang Baumann, der Anwalt der Gemeinde, gestern mitgeteilt.
Er sieht nun eine Chance, auch Naturschutzfragen ansprechen zu können: „Es geht um die hunderttausende Tiere, die - platt gesagt - absaufen, wenn der Polder geflutet wird." In den beiden bisherigen Verfahren hatten Flora und Fauna keine große Rolle gespielt. Weil sie selbst keine naturschutz-relevanten Flächen habe, könnten entsprechende Argumente der Gemeinde auch nicht beachtet werden, hatten die Richter entschieden.
Ob das tatsächlich so ist, könnte eine der Fragen sein, die das Bundesverwaltungsgericht nun überprüfen wird. Rechtsanwalt Baumann hofft auf das „Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz", das der Bundestag im Dezember 2006 beschlossen hat, und das auf europäische Vorgaben zurückgeht. Es hat den Kreis jener Kläger erweitert, die sich auf Umweltschutzfragen berufen dürfen. Am Beispiel des Altriper Falls werde nun erstmals höchstrichterlich geklärt, „für welche Verfahren das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz in zeitlicher Hinsicht anwendbar ist", sagt Baumann.
In dem Zusammenhang müsse auch geklärt werden, ob nicht auch einer der beiden weiteren Kläger - ein landwirtschaftlicher Betrieb - Umweltfragen geltend machen könne. Das Unternehmen hatte die ökologischen Bedenken erst nachträglich geltend gemacht. Das war in Deutschland bisher nicht möglich. Baumann allerdings meldet auch da Zweifel an und beruft sich dabei auf europäisches Recht. Das sei eine „Frage, die das gesamte Fachplanungsrecht betrifft", sagt der Anwalt.
Er vermutet, dass sich die Gegenseite - die Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd in Neustadt - schon darauf einstellt, dass die Umweltfragen nun eine größere Rolle spielen werden. „Sie haben bei der Umweltverträglichkeitsprüfung nachgebessert", sagt der Verwaltungsrechtler. „Die Ergebnisse sind uns aber noch nicht bekannt."
Trotzdem zeigt er sich zuversichtlich: „Wir sind sehr optimistisch, dass die Argumente der Kläger beim Bundesverwaltungsgericht auch in der Sache Gehör finden." Frohgemut ist auch Bürgermeister Jürgen Jacob: „Die Zulassung ist ein wesentlicher Schritt für eine sichere Zukunft der Gemeinde Altrip. Bereits jetzt ist unser Gemeindegebiet von Hochwasser betroffen, die Errichtung des Polders birgt aus unserer Sicht völlig unkalkulierbare Gefahren. Wir hoffen, dass nun das Bundesverwaltungsgericht endlich einen Schutz unserer Gemeinde sicherstellt."
Rein juristisch ist aus dem bisherigen „Revisionszulassungsverfahren" jedenfalls schon ein Revisionsverfahren geworden. Wann dazu in Leipzig eine Verhandlung stattfindet, ist nach Einschätzung von Anwalt Baumann noch nicht abzusehen. „Jedenfalls nicht vor dem Sommer", sagt er.